Lies dir folgende Geschichte durch und entscheide dich, ob es eine Sage
oder ein Märchen ist!
Begründe dies anhand der folgenden Punkte in den Kästchen
unten! Schreibe konkrete Belege aus dem Text heraus!
Ein Bäckermeister hatte einen Gesellen, der musste nicht nur Brot backen, sondern es auch in die
Kundschaft tragen. Hierbei kam er in das Haus eines reichen Mannes, der hatte eine schöne
Tochter. Eines Tages begegnete der Geselle ihr.Er wurde durch ihre Schönheit so bezaubert, seitdem mochte ihm keine
andere mehr gefallen. Weil er aber wusste, er würde sie nie erringen können, grämte er sich
und war bald elend wie ein Kranker. Sein Meister sah es und dachte, schuld daran möchte vielleicht ein Mahr,
ein Nachtgespenst, sein. Er riet dem Gesellen: »Vertraue dich einem an, der Bescheid weiß in
derlei Dingen!« Da ging der Geselle zu einem weisen Mann. Der gab ihm ein Tüchlein, das hatte auf einem Messkelch gelegen. »Breite
es über der Brust aus, ehe du einschläfst!« sagte er. »Spürst du dann nachts, dass sich etwas auf ihm bewegt, knüpf' es schnell mit seinen vier Ecken
zusammen, verschließ es in einer Truhe, und bring es am nächsten Morgen hierher!
Der Geselle tat, was ihm gesagt worden war. Kaum war er eingeschlafen, weckte ihn etwas, das huschte auf dem Tüchlein
die Kreuz und Quer. Da schlug er schnell die Ecken zusammen, verknotete sie und sperrte das Tüchlein
in eine Truhe.
Zwei Tage vergingen, ehe er sich wieder erinnerte, und nun erst machte er sich
auf zu dem weisen Mann. Unterwegs betastete er hin und wieder das kleine Bündel.
Er fühlte darin etwas, das sich ständig bewegte, als ob es atmete. Schließlich konnte er seine Neugier nicht mehr bezähmen.
Vorsichtig öffnete er einen Zipfel, presste ihn aber gleich wieder
zusammen. Beinahe wäre dem Bündel nämlich ein weißes Mäuslein entschlüpft.
Nun ließ ihm die Neugierde erst recht keine Ruhe. »Wenn's nichts Schlimmeres
ist, kann ich's getrost noch mal versuchen«, meinte er. Er lupfte also die Ecke ein zweites Mal, guckte, und husch war das Mäuslein
heraus und davon. Zwar rannte er wie besessen hinter ihm her, um diese Ecke, in jene Straße,
fast durch den ganzen Ort, bis es zuletzt am Haus des reichen Mannes in einem Türspalt
verschwand. Nun stand er da, verwünschte seine Neugier und wusste nicht, was er beginnen sollte.
Inzwischen war das Mäuslein in ein Zimmer geschlüpft, da brannten Kerzen um
einen Sarg. In dem Sarg lag die Tochter des reichen Mannes. Sie war vor zwei Tagen nicht wieder aufgewacht, nachdem der Geselle das Tüchlein
auf seiner Brust zusammengeschlagen und das Mäuslein gefangen hatte. jetzt sprang das Tierchen in den Sarg und der Toten in den Mund, der ein wenig offen
stand. Im gleichen Augenblick fing die Jungfrau wieder zu atmen an.
Sie richtete sich auf, sah verwundert umher und rief nach ihren Eltern. Die stürzten ins Zimmer und mochten es fast nicht glauben, als ihre
Tochter gesund dem Sarg entstieg. Sie umarmten und hetzten sie, lachten, weinten, wollten zuletzt aber
wissen, was geschehen war.
Die Jungfrau erzählte, sie habe ihr Herz an den Gesellen des Bäckers verschenkt und ihre Seele
oftmals in der Gestalt eines Mäuslein zu ihm geschickt. Vor zwei Nächten nun sei die Seele nicht mehr zurückgekehrt.
Da wusste der reiche Mann, warum seine Tochter gestorben war.
Er eilte, den Gesellen zu holen, und fand ihn vor der Haustür stehen. Er nahm ihn mit ins Haus und machte zwei Menschen glücklich, solange sie
lebten.
Untersuchung des Textes: